Artikel Generalanzeiger Bonn vom 19.02.2004


Feuer vernichtet Aula der Bonner Waldorf-Schule

Flash-Over macht alle Rettungsbemühungen zunichte - Rauchbelastung der Luft bleibt unkritisch - Oberbürgermeisterin sagt Schulleitung Unterstützung zu

Von Robert Kulka

Bonn. Donnerstag, 15.22 Uhr: Im dicksten Karnevalstrubel geht es auch bei der Feuerwehr hoch her, aber der Hintergrund ist ernst. Mehrere aufgeregte Anrufer und die Brandmeldeanlage berichten von einem Feuer in der Freien Waldorfschule an der Stolpstraße.

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Nichts zu retten: Die repräsentative Aula der Waldorfschule wird ein Raub der Flammen. Foto: Engels

Einsatzleiter Albert Lehmann dirigiert um die 50 Kräfte der Wachen 1 und 2 sowie der Freiwilligen Feuerwehr nach Tannenbusch. Den Weg weist ihnen eine riesige Rauchsäule, die der Wind scheinbar mühsam in Richtung Vorgebirge treibt. Die optische Anmutung dieser Schwaden gibt Anlass zu großer Sorge.

Im Rundfunk und mit Lautsprecherwagen werden Anwohner aufgefordert, vorsorglich Türen und Fenster geschlossen zu halten. Ein starkes Polizeiaufgebot sperrt den Brandort großräumig ab, um Schaulustige zu ihrer eigenen Sicherheit auf Distanz zu halten. Schadstoffmessungen deuten allerdings nicht auf eine kritische Belastung der Luft hin.

Größte Sorge der Retter ist zunächst die Ungewissheit, ob sich noch jemand in dem brennenden Gebäude aufhält. Zwei Rettungstrupps wagen unter schwerem Atemschutz den "Innenangriff", werden von Lehmann aber schnell wieder zurückbeordert. Zum einen haben sie drinnen keine Hinweise auf Personen gefunden, zum anderen drohen die schweren Holzbalken der Deckenkonstruktion jeden Moment über den Helfern zusammenzubrechen.

43546-2 Nur von Außen können die Feuerwehrleute gegen den Brand vorgehen. Das Wasser läuft weitgehend wirkungslos von den Dachziegeln ab. Foto: Engels


Bleibt nur der Angriff von Außen. Bei den enormen Wassermengen, die dafür erforderlich sind, gelangen die umliegenden Hydranten schnell an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit. Techniker der Stadtwerke werden um Unterstützung gebeten. Sie bauen mehr Druck im Leitungsnetz auf, aus Rohren in der Hohen Straße und der Oppelner Straße wird zusätzliches Wasser herbei geführt, das über drei Drehleitern gegen die Flammen gerichtet wird.

"Als Dachwaschen" bezeichnen die Feuerwehrleute den unliebsamen Effekt, der dabei ihre Arbeit erschwert, denn das Wasser läuft wie geölt an den Dachschindeln ab, die das Feuer geradezu beschützen. Den explosionsartigen Knall, von dem Zeugen berichtet haben, führt Einsatzleiter Lehmann auf einen so genannten Flash-Over - eine Rauchgasdurchzündung durch Überdruck - zurück.

Erst im Sommer vergangenen Jahres haben Brandmeister-Anwärter der Bonner Berufsfeuerwehr im Rotterdam International Safety Center gelernt, mit diesem Phänomen umzugehen, können nun von diesen Erfahrungen profitieren.

43547-3 Betroffene Mienen: OB Bärbel Dieckmann mit Lehrerin Marie-Dominique Würdig und Waldorf-Repräsentant Winfried Ladicha. Foto: Frommann


Bestürzt beobachten Lehrer, Eltern und Schüler den Niedergang der Aula, die einmal der ganze Stolz der musisch orientierten Schule war. Winfried Ladicha, Geschäftsführender Gesellschafter des Waldorf-Schulbaufonds Bonn, mag sich den Schaden gar nicht ausmalen, will über seine Höhe nicht spekulieren. Elf Millionen Mark hatte der repräsentative Bau bei seiner Errichtung vor zehn Jahren gekostet. Erst 2002 wurde eine halbe Million Euro in die Verbesserung der Akustik und der Bestuhlung investiert.

Zerstört wurden auch fünf Klassenräume, die vornehmlich von der Oberstufe genutzt wurden, die sich gerade auf das Abitur vorbereitet. Zwar sollte der Unterricht an der Schule nach Karneval erst am kommenden Mittwoch wieder aufgenommen werden, bis dahin müssen aber kurzfristige Lösungen zur Unterbringung der Schüler gefunden werden. Ihre volle Unterstützung sagte dabei Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann zu, die eine Karnevalsveranstaltung verlassen hatte, um sich am Brandort einen Überblick zu verschaffen.

Die Löscharbeiten dauerten am späten Abend noch an, auf die Brandursache gab es vorläufig keine Hinweise. Für Freitag wurde eine Pressekonferenz der Stadtverwaltung angekündigt.



(19.02.2004)